Nachtpost
Ich lege den Taschenrechner beiseite, unterschreibe, falte das Papier, füge die Klebelaschen aneinander. Dann schäle ich mich aus meiner Tageskleidung, die mir staubig vorkommt. Ich stelle mich in die Badewanne. Die Emaille unter meinen Füßen bleibt lange kalt. Ich verbrauche beim Duschen so viel Wasser wie andere beim Baden, heißes Wasser. Rot wird meine Haut, leuchtend von innen, fleischig. Ich dehne mich in meiner Haut aus, fühle etwas in mir pulsieren, gegen den Schlaf, zu dem ich mich zwingen müsste.
Ernst schnarchelt leise im verzerrten Lichtkarree, das die Badezimmerlampe zu ihm herüber wirft. Er steht morgens um Sechs auf und muss deshalb abends um Zehn ins Bett. Ich ziehe mein Nachthemd über, blaue Blümchen auf weißem Baumwollgrund. Und darüber meinen schwarzen Rock, der noch vom Theater am Wochenende über dem Paravent hängt, dann Wollstrümpfe und meine bequemsten Schuhe. Den Wollschal schlinge ich dreimal um meinen Hals. An meinem Pelzmantel hängt ein Knopf nur noch an wenigen Fäden, aber ich habe keine Geduld für Nadelöhr und Faden.
Auf den Stufen einer Villa flackert Licht in dem ausgestochenen Schlund eines Kürbisses. An der Hauptstraße verdoppeln sich die Laternen und ihr Licht. Der Briefkasten, der nah am Bordstein steht, leuchtet in schmutzigem Gelb. Nur kurz, mit dem Blick auf die Bushaltestelle für den Flughafenzubringer, der Gedanke, der beginnenden Winterstarre zu entkommen. Hinter der Klappe gähnt dunkle Tiefe, am Tag öffnet manchmal jemand von der anderen Seite, dann fällt unvermutet Licht ein und es ergibt sich ein Durchblick oder ein Blick in ein fremdes Augenpaar, das genau wie ich dem Brief noch eine Weile folgen will, um sicher zu stellen, dass er wirklich im Kasten landet. Ich lasse die Klappe sinken. Nicht weit von mir fällt etwas klimpernd zu Boden. Eine Münze rollt über das Gehwegpflaster und gerät in einen Spalt. Ich hebe sie auf, die Münze ist groß wie ein 50-Cent-Stück, aber die Prägung erscheint mir seltsam.
Wie wär’s mit San Salvador?, fragt eine dumpfe Stimme aus der Bushaltestelle. Sie kommt von einem schwarzen Mantel, aus einem leeren Gesicht unter einem tief gezogenen Hut hervor. Ich strecke dem Mann leicht zitternd die Hand mit dem Geldstück entgegen.
Ich glaube, Sie haben etwas verloren.
Du kennst mich nicht?
Ich versuche etwas zu finden, an dem ich mich festhalten kann. Nichts. Meine Augen gleiten ab.
Natürlich kennst du mich.
Ich glaube, Sie verwechseln mich, sage ich und lasse meine ausgestreckte Handfläche federn, um den Mann an sein Geldstück zu erinnern. Auf meiner Hand liegt, eingerollt in die Mulde der Fingeransätze, ein Geldschein.
Alles, was du dir wünschst, sagt die Stimme.
...demnächst zu Ende zu hören
Ernst schnarchelt leise im verzerrten Lichtkarree, das die Badezimmerlampe zu ihm herüber wirft. Er steht morgens um Sechs auf und muss deshalb abends um Zehn ins Bett. Ich ziehe mein Nachthemd über, blaue Blümchen auf weißem Baumwollgrund. Und darüber meinen schwarzen Rock, der noch vom Theater am Wochenende über dem Paravent hängt, dann Wollstrümpfe und meine bequemsten Schuhe. Den Wollschal schlinge ich dreimal um meinen Hals. An meinem Pelzmantel hängt ein Knopf nur noch an wenigen Fäden, aber ich habe keine Geduld für Nadelöhr und Faden.
Auf den Stufen einer Villa flackert Licht in dem ausgestochenen Schlund eines Kürbisses. An der Hauptstraße verdoppeln sich die Laternen und ihr Licht. Der Briefkasten, der nah am Bordstein steht, leuchtet in schmutzigem Gelb. Nur kurz, mit dem Blick auf die Bushaltestelle für den Flughafenzubringer, der Gedanke, der beginnenden Winterstarre zu entkommen. Hinter der Klappe gähnt dunkle Tiefe, am Tag öffnet manchmal jemand von der anderen Seite, dann fällt unvermutet Licht ein und es ergibt sich ein Durchblick oder ein Blick in ein fremdes Augenpaar, das genau wie ich dem Brief noch eine Weile folgen will, um sicher zu stellen, dass er wirklich im Kasten landet. Ich lasse die Klappe sinken. Nicht weit von mir fällt etwas klimpernd zu Boden. Eine Münze rollt über das Gehwegpflaster und gerät in einen Spalt. Ich hebe sie auf, die Münze ist groß wie ein 50-Cent-Stück, aber die Prägung erscheint mir seltsam.
Wie wär’s mit San Salvador?, fragt eine dumpfe Stimme aus der Bushaltestelle. Sie kommt von einem schwarzen Mantel, aus einem leeren Gesicht unter einem tief gezogenen Hut hervor. Ich strecke dem Mann leicht zitternd die Hand mit dem Geldstück entgegen.
Ich glaube, Sie haben etwas verloren.
Du kennst mich nicht?
Ich versuche etwas zu finden, an dem ich mich festhalten kann. Nichts. Meine Augen gleiten ab.
Natürlich kennst du mich.
Ich glaube, Sie verwechseln mich, sage ich und lasse meine ausgestreckte Handfläche federn, um den Mann an sein Geldstück zu erinnern. Auf meiner Hand liegt, eingerollt in die Mulde der Fingeransätze, ein Geldschein.
Alles, was du dir wünschst, sagt die Stimme.
...demnächst zu Ende zu hören
Autor.in - 1. Okt, 22:27
1071mal gelesen