Freitag, 1. Juni 2007

Die Wärterin

Ein Zug war nicht zu sehen. Die Sicht auf die Gleise wurde zu beiden Seiten durch Büsche und Kurven beschränkt und da die Zikaden an diesem Sommerabend lärmten, als wäre der Sommer am nächsten Tag vorüber, konnte er nicht hören, ob ein Zug nahte. Er saß auf dem ausgeschalteten Mofa, ein Bein zur Seite gestützt und maß mit den Augen den Abstand von einer Schranke zur Gegenüberliegenden. Er sah einen ausgetretenen Pfad, der um das Warnkreuz herumführte. Er überlegte, welche Züge diese Gegend durchquerten und er konnte sich nichts anderes vorstellen als einen Güterzug oder einen Personenzug dritter Klasse, obwohl es ebenso möglich war, dass der Hochgeschwindigkeitszug, der den Süden im Zweistundentakt mit der Hauptstadt verband, durch diese gottverlassene Gegend fuhr. Bis zu den Kurven waren es auf beiden Seiten weniger als hundert Meter. Er rechnete sich aus, dass er die Schiene noch in Ruhe überqueren könnte, wenn er einen Güterzug um die Kurve biegen sah.
Das Bahnwärterhaus besaß in der obersten Etage zu drei Seiten Fensterfronten. Er bemerkte schemenhaft eine Person. Ein junges Mädchen trat ans Fenster. Er wusste nicht, was ihn dazu bewegte, ihr ein Zeichen zu geben, vielleicht weil er einen schweren Tag hinter sich hatte und eine gelassene Müdigkeit spürte. Vielleicht, weil er auf dem ganzen Weg keine Menschenseele getroffen hatte. Er deutete mit der flachen Hand auf die Bahnschiene und hob fragend die Schultern. Sie verstand. Sie zeigte mit dem Daumen nach rechts und tippte dann auf das Armgelenk, als trage sie daran eine Uhr. Er wandte sich wieder der Schranke zu und der Fortführung der Straße auf der anderen Seite. Er fühlte ihren Blick auf sich ruhen.
Als er wieder hoch sah, hatte sich das Mädchen ans Fenster gesetzt. Sie drückte eine schwarze Katze an ihren Leib. Von fern meinte er einen Zug zu hören. Das Mädchen stieß ihren Kopf verschmust gegen den Kopf der Katze. Das Geräusch wurde lauter. Das Mädchen öffnete ihre Bluse und drückte die Katze gegen ihre nackten Brüste. Der Schnellzug schoss mit seinem weißen schlangenhaften Kopf um die Kurve. Die Druckwelle ließ ihn ein wenig zurückweichen. Seine Haare flohen im Wind. Als der Lärm abgeschwollen war, saß das Mädchen nicht mehr am Fenster. Genauso phantomhaft, wie der Zug gekommen war, verschwand er wieder zwischen Bahnhängen und sonnenversengten Feldern.
Er startete den Motor und spürte die Vibration durch das Sitzpolster hindurch. Die Schranke tat keinen Wank. Er blickte wieder am Bahnwärterhäuschen hoch. Das Mädchen öffnete das Fenster und kletterte auf das schmale Fensterbrett. Sie hatte die Bluse lose über die Brüste geschlagen und sah ihn unverwandt an. Sie griff nach ihrem Rocksaum und zog den Rock in winzigen Rucken über die Knie. Er heftete seinen Blick auf die Schranke, die im leichten Wind kaum merklich schwankte. Er wartete. Dann schaltete er den Motor wieder aus, stieg ab und bockte das Mofa auf den Ständer.
Hör mal, rief er, willst du mich nicht endlich rüberlassen?
Das Mädchen zog den Rock noch etwas höher. Zwischen ihren Schenkeln tauchte ihre scheinbar noch nicht sehr dicht behaarte Scham auf. In ihrem Rücken strich die Katze entlang und reckte den zitternden Schwanz in die Luft.
Komm doch rauf, sagte das Mädchen und bevor er etwas erwidern konnte: Es gibt nur ein Problem. Mein Vater hat unten die Tür abgeschlossen.
Er sah auf die grün gestrichene Holztür und dann wieder auf die Schenkel des Mädchens.
Wie soll ich denn da rauf kommen?

... demnächst zu Ende zu hören
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Short, but tender

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