Donnerstag, 1. November 2007

Ein Tag wie jeder

Als ich nach einer Erledigung, die länger gedauert hatte als erwartet, aus dem marmorkalten Inneren der Bank ins Freie trat, bahnte sich ein Hupgeräusch den Weg durch die dröhnende Eintönigkeit des Großstadtverkehrs. Ich sah eine junge Frau unter dem morgenblauen Himmel in der offnen Tür ihres Wagens stehen. Der routinemäßige Wechsel von Hupe drücken und - loslassen hinterließ in ihrem Gesicht weder Anzeichen von Wut noch Resignation. Das Auto, das ihr die Möglichkeit zum Wegfahren versperrte, war meines. Ich bediente die Fernbedienung erst, als ich schon vor der Fahrertür stand und hoffte, dass die Frau das unterdrückte Quietschen der Verriegelung als eine Art Entschuldigung auffasste. Ich schaltete gedankenlos den Motor ein und sah beim Blick über die Schulter, dass die Frau noch immer in der Tür ihres Wagens stand. Die Sonne fiel direkt in ihre Augen. Ihr helles Haar wurde umgeben von einem rötlich goldenen Schein.
Ich ließ die Scheibe herunter.
Wollen Sie einen Kaffee mit mir trinken?
Sie sah mich an, irgendwie erwachend und ohne Zornesausbruch.
Ja, warum nicht, erwiderte sie langsam.
Ich kenne um die Ecke einen netten Platz, sagte ich, meine Ungläubigkeit überspielend.
Sie sagte, dass sie wohl einen ganz passablen Parkplatz hätte. Sie schloss ihr Auto ab, stieg in meinen Wagen und ich fuhr wie in Trance durch die Stadt, in der ich schon immer lebe und erinnerte mich doch nur vage, manche Ecken schon einmal gesehen zu haben. Wir fanden einen Parkplatz nahe dem Stadtpark. Ein paar Momente später schritt sie neben mir her, die Kiesel knirschten unter den Füßen. Über den Teich schwappte Gitarrenmusik, jemand, den man nicht sehen konnte, klimperte „Stairways to heaven“. Als hätte sie erraten, was mir diffus durch den Kopf ging, schmunzelte sie hörbar, während wir drei, vier Stufen erklommen und auf ein leeres Parkcafé zusteuerten.
Was hatten Sie denn heute noch vor, mit Ihrem Tag?, fragte ich.
Das erzähl ich Ihnen später. Erst sind Sie dran.
Ich sah eine gefleckte Katze vor einer Reihe von Büschen entlang huschen und fragte mich, wie sie hier her kam und vor allem, wie wieder heraus, über all die schwer befahrenen Straßen, die den Park umgaben.
Mein Tag?, sagte ich. Ganz gewöhnlich, ein paar Termine, Mails schreiben, Kalkulationen, am Abend ein Essen mit Geschäftspartnern.
Ich entschuldigte mich nach diesem Stichwort, rief im Büro an, schwindelte fließend und gelinde in das Mobiltelefon und schaltete es aus.
Nun Sie, sagte ich und wagte, ihre ausgestreckt auf dem Tisch liegende Rechte mit meinen Händen einzuzäunen. Einzumauern. Ich nahm eine Hand wieder weg.
Ich wäre mit dem Zug elf Uhr fünfundvierzig nach Barcelona gefahren, um dort morgen zu heiraten.
Oh, gratuliere, sagte ich reflexartig. Ich schaute eine Weile auf das Wasser. Der unsichtbare Gitarrenspieler suchte gerade in seinen Noten.

... demnächst zu Ende zu hören
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Short, but tender

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